Als Schweizer muss ich zunächst noch darauf hinweisen, dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz bedeutend höher sind als in Deutschland. Dies gilt nicht nur für Dinge wie Steuern und Abgaben, sondern z.B. auf für Lebensmittel oder Kleider. Ich habe gelesen, dass die Schweiz nach Norwegen das zweitteuerste Land der Welt ist (und nein, Deutschland ist nicht auf Platz 3).
Um aber auf deine Frage einzugehen: Das Problem in Deutschland sehe ich vor allem darin, dass Deutschland keine grosse (starke), wirklich linke Partei hat. Denn die SPD trägt ihren Sozialdemokratismus eigentlich nur noch als Deckmäntelchen vor sich her. Im Grunde bestehen zwischen SPD und CDU keine merklichen Unterschiede mehr. Immerhin war es der SPDler Schröder, der das ganze Hartz-IV-System einführte und eine ganze Schicht von verarmten, frustrierten, ungebildeten ein-Euro-Sozialfällen kreierte. Für einen Sozialdemokraten absolut unwürdig. Die Schweizer Version der SPD, die SP (oder in der Romandie PSS) ist wesentlich linker als die SPD. Ich würde sie mit ihren politischen Vorstellungen eher mit der Deutschen Partei Die Linke vergleichen. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA hat Deutschland mit der Linken also eine wirklich linke Partei, aber diese ist nicht sehr stark und kämpft nach wie vor mit sehr vielen Vorurteilen. Viele Deutsche glauben noch immer, die Linke sei eine Art Geheimbund alter DDR-Leute, die noch immer frustriert über die Wende 1989 seien. Das ist umso ironischer, als dass Deutschland im Moment eine Kanzlerin hat, die selbst einmal ein hohes Tier in der Stasi war. Trotzdem sind Vorurteile halt schwer aus der Welt zu kriegen. Und so wählen nach wie vor viele, die vielleicht mit der Linken sympathisieren würden, stattdessen die SPD. Die sozialdemokratischen Vorstellungen der SPD sind aber eine reine Farce. Letztlich geht es der SPD, genauso wie der CDU hauptsächlich um den Machterhalt und Machtausbau. Und Macht lässt sich mit solch progressiven Forderungen nun mal nicht halten oder ausbauen. Dafür ist die Bevölkerung in Deutschland wie ich glaube einfach zu festgefahren und konservativ (in der Schweiz übrigens auch; ich halte die Annahme dieser Initiative, wenn sie denn zustande kommt, für unwahrscheinlich).
Trotz allem ist ein bedingungsloses Grundeinkommen wesentlich realistischer, als die Meisten hier glauben. Es gibt dazu bereits unzählige Untersuchungen und Berechnungen (man darf sich gerne im Internet oder in einer Bibliothek schlau machen). Ich selbst habe relativ viel zur Idee des bedingungslosen Grundeinkommens recherchiert und glaube heute, dass es durchaus finanzierbar wäre.
Was die meisten Leute nämlich vergessen, ist, dass wir heute (zumindest in der Schweiz) schon sehr viel Geld für Sozialausgaben benutzen. Im Schnitt werden pro Jahr zwischen einem Viertel und einem Drittel des gesamten Budgets alleine für Soziales ausgegeben (in Zahlen ca. 20 Milliarden), darunter insbesondere für Dinge wie die Arbeitslosenkasse, die Sozialhilfe etc.. Natürlich bräuchte es in einem Staat mit einem gesicherten Grundeinkommen keine Sozialhilfe und/oder Arbeitslosenhilfe mehr. Ein Grossteil der Ausgaben wären also keine Neuausgaben, sondern lediglich eine clevere, neue Kanalisierung in ein einheitliches, staatlich unterstütztes Programm. Alleine mit dieser Massnahme könnten 70-80% des bedingungslosen Grundeinkommens bezahlt werden. Des weiteren könnte man einige Steuerreformen machen, die der Gesellschaft als Ganzes zu Gute käme. Beispielsweise:
- Die SP plant eine Initiative zur Wiedereinführung der Erbschaftssteuer. Die Erbschaftssteuer wurde in der Schweiz vor einigen Jahren abgeschafft. Nun sollen Vermögen über 1,7 Millionen Euro bei einer Vererbung wieder versteuert werden. Dies macht Sinn und ist nichts als fair. Während es 97% der Bevölkerung gar nicht betrifft, ist es nichts als gerecht, dass die 3% Reichen ihre Erbschaften versteuern. Besonders, wo es doch Geld ist, was sie gar nicht hart erarbeitet, sondern einfach geschenkt bekommen haben.
- Die Beendung der Pauschalbesteuerung reicher Ausländer: Im Moment könne Russische Öl-Oligarchen oder Amerikanische Popstars wie Tina Turner in der Schweiz leben und werden (dank gewisser, bürgerlicher Politiker) pauschal besteuert. Allerdings ist das ein Euphemismus. In Tat und Wahrheit zahlen sie praktisch keine Steuern, obwohl sie alle Multimillionäre und Multimilliardäre sind. Dabei wäre eine Steuerentrichtung nichts als fair und gäbe dem Staat zusätzliches Geld.
- In der Schweiz sind zahlreiche, riesige Firmen ansässig, die keine oder nur extrem wenig Steuern zahlen. Besonders wichtig ist hier die FIFA. Die FIFA zahlt in der Schweiz keinen einzigen Cent Steuern, obwohl sie jedes Jahr Milliardengewinne machen!! In der Innerschweiz sind ausserdem Firmen ansässig, die mit Bodenschätzen handeln und ebenfalls keine, oder praktisch keine Steuern entrichten. Aus meiner Sicht eine absolute Schande. Wenn man also solche Steuerreformen einführen würde,