Frage:
Die Schweiz macht einen Volksentscheid für 2000€ Grundeinkommen. Sind wir da Entwicklungsland?
anonymous
2013-06-03 02:29:13 UTC
Wir haben noch nicht einmal einen Mindestlohn und unsere Renten sind angesichts der
augenblicklichen Lohndumpinglöhne auf niedrigstem Niveau. Sind wir das Entwicklungsland?
Zwölf antworten:
Little Tiger
2013-06-03 11:12:30 UTC
Als Schweizer muss ich zunächst noch darauf hinweisen, dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz bedeutend höher sind als in Deutschland. Dies gilt nicht nur für Dinge wie Steuern und Abgaben, sondern z.B. auf für Lebensmittel oder Kleider. Ich habe gelesen, dass die Schweiz nach Norwegen das zweitteuerste Land der Welt ist (und nein, Deutschland ist nicht auf Platz 3).



Um aber auf deine Frage einzugehen: Das Problem in Deutschland sehe ich vor allem darin, dass Deutschland keine grosse (starke), wirklich linke Partei hat. Denn die SPD trägt ihren Sozialdemokratismus eigentlich nur noch als Deckmäntelchen vor sich her. Im Grunde bestehen zwischen SPD und CDU keine merklichen Unterschiede mehr. Immerhin war es der SPDler Schröder, der das ganze Hartz-IV-System einführte und eine ganze Schicht von verarmten, frustrierten, ungebildeten ein-Euro-Sozialfällen kreierte. Für einen Sozialdemokraten absolut unwürdig. Die Schweizer Version der SPD, die SP (oder in der Romandie PSS) ist wesentlich linker als die SPD. Ich würde sie mit ihren politischen Vorstellungen eher mit der Deutschen Partei Die Linke vergleichen. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA hat Deutschland mit der Linken also eine wirklich linke Partei, aber diese ist nicht sehr stark und kämpft nach wie vor mit sehr vielen Vorurteilen. Viele Deutsche glauben noch immer, die Linke sei eine Art Geheimbund alter DDR-Leute, die noch immer frustriert über die Wende 1989 seien. Das ist umso ironischer, als dass Deutschland im Moment eine Kanzlerin hat, die selbst einmal ein hohes Tier in der Stasi war. Trotzdem sind Vorurteile halt schwer aus der Welt zu kriegen. Und so wählen nach wie vor viele, die vielleicht mit der Linken sympathisieren würden, stattdessen die SPD. Die sozialdemokratischen Vorstellungen der SPD sind aber eine reine Farce. Letztlich geht es der SPD, genauso wie der CDU hauptsächlich um den Machterhalt und Machtausbau. Und Macht lässt sich mit solch progressiven Forderungen nun mal nicht halten oder ausbauen. Dafür ist die Bevölkerung in Deutschland wie ich glaube einfach zu festgefahren und konservativ (in der Schweiz übrigens auch; ich halte die Annahme dieser Initiative, wenn sie denn zustande kommt, für unwahrscheinlich).



Trotz allem ist ein bedingungsloses Grundeinkommen wesentlich realistischer, als die Meisten hier glauben. Es gibt dazu bereits unzählige Untersuchungen und Berechnungen (man darf sich gerne im Internet oder in einer Bibliothek schlau machen). Ich selbst habe relativ viel zur Idee des bedingungslosen Grundeinkommens recherchiert und glaube heute, dass es durchaus finanzierbar wäre.

Was die meisten Leute nämlich vergessen, ist, dass wir heute (zumindest in der Schweiz) schon sehr viel Geld für Sozialausgaben benutzen. Im Schnitt werden pro Jahr zwischen einem Viertel und einem Drittel des gesamten Budgets alleine für Soziales ausgegeben (in Zahlen ca. 20 Milliarden), darunter insbesondere für Dinge wie die Arbeitslosenkasse, die Sozialhilfe etc.. Natürlich bräuchte es in einem Staat mit einem gesicherten Grundeinkommen keine Sozialhilfe und/oder Arbeitslosenhilfe mehr. Ein Grossteil der Ausgaben wären also keine Neuausgaben, sondern lediglich eine clevere, neue Kanalisierung in ein einheitliches, staatlich unterstütztes Programm. Alleine mit dieser Massnahme könnten 70-80% des bedingungslosen Grundeinkommens bezahlt werden. Des weiteren könnte man einige Steuerreformen machen, die der Gesellschaft als Ganzes zu Gute käme. Beispielsweise:

- Die SP plant eine Initiative zur Wiedereinführung der Erbschaftssteuer. Die Erbschaftssteuer wurde in der Schweiz vor einigen Jahren abgeschafft. Nun sollen Vermögen über 1,7 Millionen Euro bei einer Vererbung wieder versteuert werden. Dies macht Sinn und ist nichts als fair. Während es 97% der Bevölkerung gar nicht betrifft, ist es nichts als gerecht, dass die 3% Reichen ihre Erbschaften versteuern. Besonders, wo es doch Geld ist, was sie gar nicht hart erarbeitet, sondern einfach geschenkt bekommen haben.

- Die Beendung der Pauschalbesteuerung reicher Ausländer: Im Moment könne Russische Öl-Oligarchen oder Amerikanische Popstars wie Tina Turner in der Schweiz leben und werden (dank gewisser, bürgerlicher Politiker) pauschal besteuert. Allerdings ist das ein Euphemismus. In Tat und Wahrheit zahlen sie praktisch keine Steuern, obwohl sie alle Multimillionäre und Multimilliardäre sind. Dabei wäre eine Steuerentrichtung nichts als fair und gäbe dem Staat zusätzliches Geld.

- In der Schweiz sind zahlreiche, riesige Firmen ansässig, die keine oder nur extrem wenig Steuern zahlen. Besonders wichtig ist hier die FIFA. Die FIFA zahlt in der Schweiz keinen einzigen Cent Steuern, obwohl sie jedes Jahr Milliardengewinne machen!! In der Innerschweiz sind ausserdem Firmen ansässig, die mit Bodenschätzen handeln und ebenfalls keine, oder praktisch keine Steuern entrichten. Aus meiner Sicht eine absolute Schande. Wenn man also solche Steuerreformen einführen würde,
willou
2013-06-03 09:46:56 UTC
Leider sind wir KEIN Entwicklungsland. Weil sich bei

uns ja NICHTS entwickelt.



Wir sind festgefahren in neoliberalen Strukturen, über-

dies geprägt von einem brutalen neo-amerikanischen

Kapitalismus, in dem der Profit alles und der arbeitende

Mensch nichts ist.



Unsere sogen. "bürgerlichen Regierungen" - wahlweise

mit FDP oder SPD als Steigbügelhalter - mit einer kurzen

Phase einer sogen. rot-grünen Regierung, die gar

nicht wussten, was sie taten und sich vom Kapital

am Nasenring durch die Regierungsmanege führen

ließen - dienen ausschließlich der Stabilisierung

eines Systems, das die Würde der Menschen

missbraucht, um dem Götzen Profit blind zu dienen.



Nein - bei uns entwickelt sich nichts.
Ben Scott
2013-06-03 10:56:39 UTC
ich lebe in der domrep, und wir haben hier mehr schweizer als deutsche. vor allem rentner und frührentner kommen aus der schweiz.

die leben hier wie die könige von dem, was in der schweiz das existenzminimum ist.
whyskyhigh
2013-06-04 08:59:41 UTC
Die Schweiz macht einen Volksentscheid für 2000€ Grundeinkommen



die schweiz war immer schon fortschrittlich

deswegen ist der franken auch so stabil
olliplex
2013-06-03 13:18:13 UTC
Nur damit kein falsches Bild aufkommt: Es ist noch nicht mal sicher, dass es überhaupt zu einem Volksentscheid kommt.



Damit das Volk in der Schweiz über einen bestimmten Sachverhalt entscheiden darf, müssen zuerst genügend Unterschriften gesammelt werden (um den Nachweis zu erbringen, dass sich das Volk auch überhaupt für den Sachverhalt interessiert). Für Schweizweite Entscheide müssen innerhalb von 18 Monaten 100'000 Unterschriften von stimmberechtigten Bürgern gesammelt werden.
kaelon
2013-06-03 19:53:26 UTC
Ganz bestimmt nicht, denn in der Schweiz gibt es erstens Schweizer Franken und zweitens heist es in der Schweiz Volksabstimmung, und drittens wäre es in Der Schweiz nicht möglich darüber abzustimmen, genausowenig wie über die Abschaffung aller Steuern
anonymous
2013-06-03 11:50:57 UTC
Von was sollen die Euro 2.000,00 für jeden Faulenzer bezahlt werden?

Ohne Fleiß kein Preis.

Jeder ist seines Glückes Schmied, das behält auch in der Schweiz Gültigkeit.



"Es gibt viele Menschen, die sich einbilden, was sie erfahren,

verstünden sie auch."

Johann Wolfgang von Goethe
Slovak08
2013-06-03 09:34:10 UTC
Quatsch. Volksentscheide wurde in der Schweiz schon öfters durchgeführt und die meisten haben nicht den von den Initiatoren erhofften Erfolg gebracht. So dürfte es auch mit diesem gesetzlich festgelegten Grundeinkommen werden, das ohne jeglicher Beschäftigung nachzugehen, einfach von den Beschäftigten und Freiberuflern finanziert werden müsste.
mausgrau
2013-06-03 09:31:34 UTC
Sicherlich hast Du da nicht ganz unrecht - nur darf man dabei auch nicht außer Acht lassen, dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz auch deutlich höher sind...
webheiner
2013-06-03 12:22:43 UTC
In der Hinsicht wohl schon, man darf allerdings nicht ausser Acht lassen, dass die Schweiz ein kleines und extrem reiches Land ist, der ein solcher Schritt sicher leicht fiele. In Deutschland wäre zumindest ein Mindestlohn dringend geboten, das wurde übrigends dieser Tage sogar von der EU angemahnt, Herr Baroso sagte, die Löhne in Deutschland mußten dringend steigen. Peinlich, dass es so weit kommen muss. Aber dem wird sicher auch das vorlaute Maul mit Geldscheinen gestopft.
Helmut A
2013-06-03 10:12:24 UTC
Ein Grundeinkommen von 2000 Euro ist völlige Fata Morgana. Wobei diese noch eine weitentfernte Wirklichkeit widerspiegelt. Daraus folgte nach spätestens fünf Jahren ein Zusammenbruch wie der DDR und zehnmal schlimmer, weil kein Westdeutschland Hilfe brächte. .

Ich kann gar nicht glauben, dass es Leute geben will, die nicht mit eigener Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten, sondern auf Kosten anderer leben wollen. Mein Stolz und mein Selbstbild ließen das niemals zu.

Ganz abgesehen, gälte das auch für Migranten? Die zu Millionen in dieses Schlarafffenland strömten? Dann wäre nach einem Jahr der Ofen aus.



@ Lord. Tja, warum haben sich die Leute in der DDR gegen die Regierung gestellt, wenn es ihnen so gut ging? Tja, warum musste man über 1000 Mrd. Euros schon in die neuen Bundesländer transferieren, wenn es den Leuten bei politischem Wohlverhalten so gut gegangen ist. Bitte Logik.



Hören wir bitte mit dem "Märchen vom armen Rentner" auf. Ich bin selbst einer. 95% der Rentner geht es derzeit gut. Sichere Gesundheitsversorgung und guter bis ausreichender Lebensstandart für alle, die ein geordnetes Leben geführt haben. Die vermögendste Altersklasse sind Leute ab - 60 Jahren.



@ webheine Ich glaube nicht, dass die Schweiz ein "extrem reiches" Land ist. Ihre Stärke ist der beinahe ewige Frieden (gewesen) und die Ansaugstelle für Geld aus aller Welt. Diese Position ist sie gerade dabei zu verlieren, wenn ihr die Funktion als Steueroase ausgetrieben ist, wie es derzeit im Gange ist. Durch die Geschichte hindurch ist die Schweiz ein armes Land gewesen.
Lord M
2013-06-03 10:09:06 UTC
Erkläre mir den Unterschied zwischen "Bundesrepublik Deutschland" und "Deutsche Demokratische Republik":



In der DDR durfte man nicht überall hin und man musste sich mit der Regierung gut stellen, ansonsten brauchte man sich kaum Sorgen machen.



In der BRD darf man fast überall hin, man kann sich bedenkenlos gegen die Regierung stellen, aber egal, was man tut, man muss jederzeit um seine Existenz fürchten.



Das Volk hat dieses Schicksal selbst gewählt! (J. Goebbels)


Dieser Inhalt wurde ursprünglich auf Y! Answers veröffentlicht, einer Q&A-Website, die 2021 eingestellt wurde.
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